(aus: Gesammelte Schriften Band 6, 1991, p 27,28; Hervorhebungen etc. von mir)
“[…]dass vernünftige Dinge […] nützliche Dinge sind und dass jeder vernünftige Mensch imstande sein soll zu entscheiden, was ihm nützt. […] die Kraft, die letztlich vernünftige Handlungen ermöglicht, ist die Fähigkeit der Klassifikation, des Schließens und der Deduktion, ganz gleich, worin der besondere Inhalt besteht¹ – das abstrakte funtionieren des Denkmechanismus. Diese Art von Vernunft kann subjektive Vernunft genannt werden. Sie hat es wesentlich mit Mittel und Zwecken zu tun, mit der Angemessenheit von Verfahrensweisen an Ziele, die mehr oder minder hingenommen werden und sich vermeintlich von selbst verstehen. Sie legt der Frage wenig Bedeutung bei, ob die Ziele als solche vernünftig sind. Befasst sie sich überhaupt mit Zwecken, dann hält sie es für ausgemacht, dass auch sie vernünftig im subjektiven Sinne sind, d.h., dass sie dem Interesse des Subjekts im Hinblick auf seine Selbsterhaltung dienen – sei es die des einzelnen Individuums oder die der Gemeinschaft, von deren Fortbestand der des Individuums abhängt.² Der Gedanke, dass ein Ziel um seiner selbst willen vernünftig sein kann[…], ohne auf irgendeine Art subjektiven Gewinnes oder Vorteils sich zu beziehen, ist der subjektiven Vernunft zutiefst fremd, selbst wo sie […]sich Reflexionen über die Gesellschaftsordnung, betrachtet als Ganzes, widmet.
[…]diese Definition der Vernunft […] ist ein wichtiges Symptom eines tiefgreinfenden Wandels der Anschauungsweisen, der in den letzten Jahrhunderten im abendländischen Denken stattgefunden hat. Lange Zeit herrschte eine diametral entgegengesetzte Ansicht von der Vernunft. Diese Ansicht behauptete das Dasein der Vernunft als einer objektiven Welt – in der Beziehungen zwischen den Menschen und zwischen sozialen Klassen, in gesellschaftlichen Institutionen, in der Natur und ihren Manifestationen. […] auf einer objektiven Theorie der Vernunft begründet. Sie zielte darauf ab, ein umfassendes System oder eine Hierarchie alles Seienden einschließlich des Menschen und seiner Zwecke zu entfalten. Der Grad der Vernünftigkeit des Lebens eines Menschen konnte nach seiner Harmonie mit dieser Totalität bestimmt werden. Deren objektive Struktur, und nicht bloß der Mensch und seine Zwecke, sollte der Maßstab für individuelle Gedanken und Handlungen sein. Dieser Begriff von Vernunft schloß subjektive Vernunft niemals aus, sondern betrachtete sie als partiellen, beschränkten Ausdruck einer umfassenden Vernünftigkeit, von der Kriterien für alle Dinge und Lebewesen abgeleitet wurde. Der Nachdruck lag mehr auf den Zwecken als auf den Mitteln²,³. Das höchste Bestreben dieser Art von Denken war es, die objektive Ordnung des >Vernünftigen<, wie die Philosophie sie begriff, mit dem menschlichen Dasein einschließlich des Selbstinteresses und der Selbsterhaltung zu versöhnen.
[…]
Zwischen der Theorie, derzufolge Vernunft ein der Wirklichkeit innewohnendes Prinzip ist, und der Lehre, sie sei ein subjektives Vermögen des Geistes, besteht ein grundlegender Unterschied. Nach der letzteeren kann einzig das Subjekt in einerm genuinen Sinne Vernunft haben[…].”